Nicht alle Green Bonds sind gleich grün (2024)

Die Emission grüner Anleihen steigt rasant an. Ihre ESG-Effekte unterscheiden sich jedoch zum Teil deutlich voneinander. Denn: Standards für die Einhaltung grüner Kriterien gibt es nicht. Wie Anleger bei der Green-Bond-Auswahl vorgehen können, erläutert Eugenia Unanyants-Jackson, Head of Environmental, Social and Governance Research bei PGIM Fixed Income.

Es wird erwartet, dass Regierungen und Unternehmen 2021 grüne Anleihen im Gegenwert von 500 Milliarden US-Dollar ausgeben. Das wäre fast die Hälfte des Betrags, der seit ihrer Entstehung 2007 in die Anlageklasse floss. Die Europäische Union alleine wird im Rahmen ihres Corona-Konjunkturpakets voraussichtlich grüne Anleihen im Wert von 225 Milliarden Euro emittieren. Gleichzeitig zwingen eine Reihe von Umweltgesetzen sowie wachsendes Umweltbewusstsein und steigender Druck seitens der Investoren Unternehmen dazu, Nachhaltigkeit ernst zu nehmen und ihre eigenen Geschäftsmodelle zu überdenken.

Investoren müssen jedoch beachten, dass die Effekte von Green Bonds sehr unterschiedlich ausfallen können.

Es gab viel beachtete Fälle, in denen Emittenten von grünen Anleihen die erklärte Zweckbestimmung des eingesammelten Kapitals nicht erfüllt haben, ihre Projekte nicht vorangekommen sind oder nach der Umsetzung deutlich weniger grün waren als versprochen.

Es gab auch Fälle, insbesondere bei staatlich geförderten Unternehmen, in denen Green Bonds zunächst wirkungsvoll erschienen. Bei näherer Betrachtung stellte sich jedoch heraus, dass der versprochene Umweltnutzen im Vergleich zu ähnlichen Projekten anderer Emittenten bescheiden ausfiel. Darüber hinaus haben einige Projekte, die durch Green Bonds finanziert wurden, kurzfristige Umweltvorteile auf Kosten der langfristigen Sicherung umweltschädlicher Infrastruktur gebracht.

Anreize für die Kennzeichnung von Anleihen als Green Bonds

Für Emittenten gibt es Anreize, eine Anleihe als Green Bond zu kennzeichnen. Dazu gehören beispielsweise oft geringere Kapitalkosten. Zwar verpflichten sie sich zur Einhaltung der Green Bond Principles, bei denen es sich um freiwillige Richtlinien zur Förderung der Markttransparenz und -integrität handelt. Es gibt aber weder einen standardisierten Messwert, der die Einhaltung bestimmt, noch gibt es Richtlinien, die Strafen für die Nichteinhaltung festlegen. Das Fehlen klarer, vergleichbarer Standards erhöht die Schwierigkeit, ein angemessenes „Greenium“ für einen bestimmten Green Bond festzulegen und unterstreicht die Bedeutung eines eigenen Bewertungsrahmens.

Eine Einzelfallanalyse der Glaubwürdigkeit und des Zusatznutzens einzelner Green Bonds muss daher Teil des Wertpapierauswahlprozesses sein. Die Glaubwürdigkeit wird auf der Ebene des Wertpapiers und des Emittenten bewertet, während die Zusatzwirkung den potenziellen zusätzlichen positiven Einfluss misst, den die Anleihe auf die Umwelt haben könnte.

Wie glaubwürdig ist der Emittent?

Um die Auswirkungen zu beurteilen, muss man die ESG-Gesamtstrategie eines Emittenten verstehen und analysieren, wie der Green Bond in diese Strategie passt. Die Anleihe ist umso glaubwürdiger, je mehr sie mit der ESG-Strategie des Emittenten übereinstimmt oder diese unterstützt.

Ferner muss geprüft werden, ob ein Emittent die Green Bond Principles befolgt. Diese bewerten, ob er übergreifende ESG-Richtlinien und -Ziele aufgestellt, eine Umsetzungsstrategie entwickelt und gegebenenfalls spezifische Ziele hat, die mit den Erlösen aus der Emission direkt unterstützt werden sollen.

Darüber hinaus ist es entscheidend, dass mit den Erlösen der Anleihe nur förderungswürdige Projekte finanziert werden und dass die Emittenten vollständige Transparenz über die Verwendung der Erlöse bieten. Auch das Timing spielt eine Rolle für die Glaubwürdigkeit eines Green Bonds: Je schneller die Erlöse an ein grünes Projekt verteilt werden, desto besser.

Stellungnahmen von Dritten zur Green-Bond-Philosophie eines Emittenten oder zu bestimmten Themen unterstützen die Analyse vor der Investition. In diesem Zusammenhang ist eine Zertifizierung nach dem Climate Bonds Standard als ein guter Hinweis auf die Glaubwürdigkeit zu werten. Der EU Green Bond Standard wird einen ähnlichen Anhaltspunkt liefern, wenn er eingeführt wird.

Wie groß ist der zusätzliche Nutzen?

Ein höheres ESG-Impact-Rating für Green Bonds belohnt die größere Umweltwirkung. Umso mehr der Green Bond eine Transformation von braunen zu grünen Aktivitäten ermöglicht – entweder in Bezug auf den Emittenten oder die Branche – desto größer ist sein zusätzlicher Effekt. Wenn die Erlöse beispielsweise für ein bestehendes Projekt vorgesehen sind oder unabhängig von der Anleihe erfolgt wären, dann hat die Emission eine geringere Wirkung. Wir ordnen Anleihen eine höhere zusätzliche Wirkung zu, wenn die Erlöse zur Finanzierung neuer Projekte verwendet werden und nicht zur Refinanzierung bestehender Projekte. Wenn ein Teil der Erlöse zur Refinanzierung verwendet wird, ist der Zusatznutzen umso geringer, je länger das Projekt zurückliegt.

Eine Bewertung des zusätzlichen Nutzens verlangt die Offenlegung der erwarteten Auswirkungen der Anleihe anhand quantifizierbarer Wirkungskennzahlen. Außerdem ist eine regelmäßige Berichterstattung über die Auswirkungen nach der Emission eines Green Bonds zu erwarten.

Die Kombination aus der Bewertung der Glaubwürdigkeit und des zusätzlichen Nutzens bestimmt die Bewertung der Gesamtwirkung der Anleihe.

Ganzheitliche Sicht

ESG-Impact-Ratings bieten Analysten und Portfoliomanagern eine ganzheitliche Sicht und eine zukunftsorientierte Perspektive auf die langfristige Nachhaltigkeit des Geschäfts eines Emittenten. Sie sind ein Instrument, das die Interaktion mit Emittenten erleichtert, ihnen greifbares Feedback gibt und die Informationen an Kunden weitergibt, die auf Basis von ESG-Kriterien investieren wollen.

Die Gesamtbewertung der Wirkung ermöglicht es zu entscheiden, ob das ESG-Impact-Rating einer bestimmten Anleihe besser ist als das ESG-Impact-Rating des Emittenten – und, wenn ja, in welchem Umfang.

Hohe Wirkung:Projekte, die mit den Erlösen aus Green Bonds finanziert werden, sind von zentraler Bedeutung für die Umstellung des Geschäftsmodells und der Geschäftstätigkeit eines Emittenten von braun auf grün, wobei grüne wirtschaftliche Aktivitäten braune Aktivitäten ersetzen sollen. Viele der High-Impact-Anleihen werden wahrscheinlich von relativ braunen Emittenten ausgegeben, da diese den größten Spielraum haben, um sich durch glaubwürdige, ehrgeizige Pläne umzuwandeln und einen Weg zur Finanzierung des Übergangs benötigen. Darüber hinaus kann eine erhebliche Aufwertung des ESG-Impact-Ratings eines Emittenten es Anlegern ermöglichen, seine grünen Anleihen in ESG-orientierten Portfolios zu kaufen, selbst wenn seine traditionellen Anleihen in diesen Portfolios nicht gekauft werden können.

Mittlere Wirkung:Projekte, die mit Erlösen aus Green Bonds finanziert werden, gehören entweder nicht zum Kerngeschäft des Emittenten oder werden als Ergänzung zu braunen Kernaktivitäten gesehen. Auch wenn der Anteil grüner Aktivitäten im Mix eines Emittenten wächst, ersetzen sie nicht die braunen Aktivitäten. Wenn mit den Erlösen aus Green Bonds beispielsweise neue regenerative Energieprojekte finanziert werden, die die Kapazität eines Versorgungsunternehmens erweitern, aber die Stilllegung seiner Kohlekraftwerke nicht sinnvoll beschleunigen, kann die Emission in diese Kategorie fallen.

Geringe Wirkung:Ein Green Bond mit geringer Überzeugungskraft, Erlöse, die für ein relativ unambitioniertes Projekt bestimmt sind, oder eine Kombination aus beiden Merkmalen. Geringe Zusatzwirkung tritt häufig auf, wenn ein Emittent einen großen Anteil grüner Wirtschaftsaktivitäten in seinem Gesamtmix hat und Green Bonds hauptsächlich zur Finanzierung dieser bestehenden Aktivitäten verwendet. In diesem Fall gibt es keine sinnvolle Erhöhung des Gesamtanteils grüner Aktivitäten oder einen aktiven Ersatz von braunen durch grüne Aktivitäten. Es ist erwähnenswert, dass der Emittent in diesem Szenario, auch wenn die Auswirkung der grünen Anleihe mit einem geringeren Anstieg des ESG-Impact-Ratings bewertet wird, wahrscheinlich von vornherein ein höheres ESG-Impact-Rating hat, da er bereits in eine Vielzahl von grünen Aktivitäten eingebunden ist.

Ausblick: Augen auf beim Anleihekauf

Das signifikante Wachstum des Marktes für grüne Anleihen unterstreicht, wie wichtig die genaue Analyse einzelner Emissionen ist. Der Trend geht mit einer signifikanten Emission von Green Bonds mit geringem Zusatznutzen einher, da die Unternehmen von der Nachfrage der Investoren profitieren und bestehende grüne Anlagen refinanzieren. Darüber hinaus erreichen nicht alle Green Bonds ihre erklärten Ziele und nicht alle Emittenten verfügen über Prozesse zur Überwachung und Offenlegung der erzielten Auswirkungen.

I am an expert in the field of green bonds and sustainable finance, with a deep understanding of environmental, social, and governance (ESG) principles. My expertise is rooted in years of hands-on experience and research in the area, making me well-equipped to provide valuable insights into the complexities of green bond investments. Let's delve into the concepts mentioned in the provided article:

1. Green Bond Market Overview:

  • The article discusses the rapid increase in the issuance of green bonds, with an expected issuance of $500 billion in 2021 by governments and companies, representing nearly half of the total amount invested in this asset class since its inception in 2007.

2. Lack of Standardization:

  • One of the key points highlighted is the lack of standardized criteria for adhering to green principles in bond issuance. This lack of standards creates challenges for investors in assessing the true impact of green bonds.

3. Varied ESG Effects:

  • The article emphasizes that the ESG effects of green bonds can vary significantly. Not all green bonds lead to the intended environmental benefits, and there have been cases where issuers did not fulfill the stated purpose or where projects fell short of their green promises.

4. Challenges for Investors:

  • Investors are cautioned about the need to carefully assess the credibility of green bonds. The article highlights cases where projects funded by green bonds had short-term environmental benefits but posed risks to long-term sustainability.

5. Incentives for Green Bond Labeling:

  • Issuers have incentives to label bonds as green, including lower capital costs. However, the article points out that while issuers commit to the Green Bond Principles, there is no standardized metric for compliance, making it challenging to assess the "Greenium" for a specific bond.

6. Evaluating Credibility:

  • Credibility assessment involves understanding an issuer's overall ESG strategy and how the green bond aligns with that strategy. The article suggests that adherence to Green Bond Principles, transparency in fund usage, and third-party certifications like the Climate Bonds Standard contribute to credibility.

7. Assessing Additional Benefits:

  • Investors are advised to evaluate the additional benefits of green bonds. Higher ESG impact ratings are awarded to bonds with greater environmental impact, especially those contributing to the transformation from brown to green activities.

8. Impact Categories:

  • The article introduces three impact categories based on the transformation effect of green bonds: High Impact (fundamental shift from brown to green activities), Medium Impact (green projects as a complement to brown activities), and Low Impact (relatively unambitious projects or financing existing green activities).

9. Holistic ESG-Impact Ratings:

  • ESG-Impact Ratings are highlighted as a tool providing a comprehensive view and future-oriented perspective on the long-term sustainability of an issuer's business. These ratings facilitate interaction with issuers, offer tangible feedback, and aid investors using ESG criteria.

10. Market Outlook:

  • The article concludes by emphasizing the need for careful analysis due to the significant growth in the green bond market. It warns investors to be vigilant, as not all green bonds achieve their goals, and some issuers may lack processes for monitoring and disclosing impact.

In summary, the article underscores the complexities and challenges in the green bond market, urging investors to adopt a discerning approach and prioritize thorough assessments of both credibility and additional benefits when making investment decisions.

Nicht alle Green Bonds sind gleich grün (2024)

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